Rant: Der Kampf der Telekom gegen das Internet

Es ist nicht lange her, da kündigte die Telekom die Drosselung des Internets an. Der Zugang soll auf ein volumenbasiertes Modell eingegrenzt werden, wie es bei mobilem Internet Standard ist. Dabei war es doch die Telekom selbst, die mit dem DSL-Ausbau und der Schaffung der Flatrate das Recht auf unbegrenzten Breitbandzugang manifestieren wollte. Jetzt schafft sie das freie Internet und die Netzneutralität wieder ab. Und damit sich selbst. Ein Rant.

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Die Versorgung mit mobilem Breitband-Internet ist in Deutschland noch nicht einmal flächendeckend, obwohl die Angelegenheit von Frau Merkel persönlich zur Chefsache erklärt wurde.  Abgesehen davon, dass wir in Deutschland nach wie vor beim Breitbandausbau hinter Rumänien liegen, ist das Internet als freies Konstrukt immer wichtiger.

Telekom gegen Menschenrechte

Derzeit wird selbst in der UN diskutiert, ob der Zugang zum Internet ein eigenes Menschenrecht ist und als solches auch manifestiert werden soll. Der UN-Menschenrechtsrat beschäftigt sich mit dem Thema und laut dem Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung Frank la Rue nimmt „das Internet inzwischen eine Schlüsselstellung in der Wahrnehmung der freien Meinungsäußerung ein“.

Zugegeben, die Telekom will den Internetzugang an sich ja nicht abschaffen. Sie will nur das gesamte System beschneiden. Ach übrigens, es wird ein Grundrecht beschnitten. Nicht nur, dass das Thema Menschenrechtsexperten beschäftigt, auch der Bundesgerichtshof hat den Internetzugang bereits als Grundrecht bestätigt.

Wie man auf so etwas kommt

Der Aufschrei der Netzgemeinde war natürlich gigantisch. Shitstorm über Shitstorm fegte über die Telekom weg. Das Vorhaben der Telekom noch einmal in Kürze: Alle Neukunden sollen ab dem 02.05.2013 haben in ihren Verträgen stehenhaben, dass sie eine Bandbreite von starken 384 Kbit/s haben, sollten sie bei einer Anschlussgeschwindigkeit von 16 Mbit/s mehr als 75 GB Volumen Traffic produzieren. Bei bis zu 50 Mbit/s darf man dann 200 GB verbrauchen bis man auf Schneckentempo ausgebremst wird. Die konkreten Zahlen finden sich noch einmal in der offiziellen Ankündigung auf der Homepage der Telekom.

Witzig ist dagegen die Argumentation des Rosa Riesen, oder in diesem Fall die des Herrn René Obermann, welcher nach einer Anfrage von Wirtschaftsminister Rösler einen offenen Brief veröffentlichte in dem er seine Argumentation darlegt und das Vorhaben verteidigt. Das muss man sich nun einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Fairness für alle durch weniger dank einiger

Der Satz klingt erst einmal komisch. Jeder kann sich selbst ein Bild von der Argumentation Obermanns machen, der Brief ist ja öffentlich. Eine sehr schöne Analyse hat Christopher Lauer veröffentlicht, aus der ich ein paar Highlights nennen möchte.

Erst einmal zum Grundverständnis: Das Netz, welches der Telekom gehört, wurde ursprünglich vom Steuerzahler bezahlt. Während der Privatisierung der Telekom ging auch das Netz in ihren Besitz über. Es ist kein Netz, das die Telekom mit privaten Investoren auf die Beine gestellt hat. Die Telekom wurde also ins gemachte Nest gesetzt und hatte die Aufgabe, das Netz zu pflegen und auszubauen. Die Grundvoraussetzungen waren also wirklich mehr als gut.

Vor allem aber ist ein besonders bösartiger Menschenschlag für die Volumenbegrenzung verantwortlich: Der böse „Extremuser“, welcher tatsächlich so verdammt dreist ist, seine Rechte wahrzunehmen, denn er hat einen Vertrag ohne Volumenbegrenzung unterschrieben, es steht in den AGBs. Nun verursachen diese drei Prozent Extremuser 10 – 20 mal so viel Traffic wie ein Durchschnittsnutzer, welcher auf ca. 15 – 20 GB pro Monat kommt. Auf gut deutsch: Durch sehr wenige Leute müssen viele Leute durch die Drosselung Nachteile in Kauf nehmen, und die Telekom findet das fair.

Jetzt kommt die Logik ins Spiel

Obermanns Logik: Diese drei Prozent sind finanziell untragbar. Der normale User erreicht die Traffic-Grenze sowieso niemals, also ist es fair, auch diesen Usern die Volumengrenze aufzuerlegen. Denn der flächendeckende Ausbau des Breitbandinternets ist halt eine Sache, die jede Menge Geld kostet. Das ist mit diesen 3% die über der Kalkulation liegen schlicht nicht zu machen. 80 Milliarden Euro soll der Netzausbau kosten. In oben verlinktem Artikel gibt es eine einfache Rechnung von Lauer, der vorrechnet, dass ja diese drei Prozent Extremuser bei prognostizierten 13 Millionen DSL-Kunden der Telekom in etwa 390.000 Leute sind. Diese sollen also quasi den Netzausbau bezahlen. Das macht dann 205.128,20 Euro pro Extremuser. Na dann soll schon mal angefangen werden mit dem Sparen.

Die Telekom hat den Netzausbau schlicht verschlafen und versucht jetzt den Kapitalismus ad absurdum zu führen. Klar, dass die Telekom immer weniger Neuverträge pro Jahr abschließt, denn oftmals sind die Konkurrenten einfach preiswerter. Jetzt schwimmen die Felle davon. Trotz Erhöhungen der Nutzungsgebühren für die „letzte Meile“ reicht es wohl nicht mehr.

Das Unternehmen hat‘s geschaffen, das Unternehmen will es nehmen

Es ist nicht nur die offensichtliche Unfähigkeit eines Megaunternehmens, eine Mischkalkulation durchzuführen. Die Dreistigkeit nimmt immer weitere Ausmaße an, denn der konzerneigene IP-TV-Dienst Entertain ist natürlich von der Drosselung ausgenommen, heißt, er wird nicht auf den Traffic angerechnet. Argumentation: Es handelt sich um einen Premium-Dienst, für den der Kunde separat bezahlt.

Das ist Maxdome aber auch. Mal die Tatsache außer Acht gelassen, dass Entertain nur für Kunden der Telekom zur Verfügung steht, werden andere Anbieter schlicht diskriminiert. Bei HD-Streams kommt man schon relativ schnell an die Volumengrenze. Warum sollte ich denn dann meine Filme von Maxdome oder Lovefilm beziehen, oder Zattoo zum Fernsehen benutzen, wenn ich es nur ein paar Stunden lang nutzen kann, da 387Kbit einfach nicht ausreichen. Dabei zahle ich da auch extra für, nur eben nicht an die Telekom.

Der zerstörerische Reibach

Über Entertain kann man evtl. noch streiten, es ist ja auch ohne  eigentlichen Internetanschluss zu beziehen, wobei sich mir der Sinn nicht erschließt. Maxdome etc. sind schonmal als Konkurrenz ausgeschaltet. Nein, nicht ganz, es ist natürlich möglich, sich gütig zu einigen, wenn die großen Anbieter an die Telekom zahlen. Der beste Vorschlag ist, auch von Youtube zu kassieren.

Ich weiß nicht was Herr Obermann genommen hat, aber ich will auch etwas davon. Die Telekom will also von allen Konkurrenten und Streaming-Anbietern Geld bekommen. Wer nicht zahlt, der ist automatisch draußen, denn lange ist der Dienst nicht nutzbar.

Ach ja, Datensicherung in der Cloud. Lagere ich beispielsweise ein komplettes Backup meines Rechners in der Cloud aus und möchte es nach der Neuinstallation wieder downloaden, werde ich dafür mehrere Wochen brauchen, da die 75 GB ja schnell weg sind. Es sei denn, ich nutze einen wohltätigen Dienst der Telekom, den ich dann sicherlich als Zusatzangebot gegen einen Obulus erwerben kann. Ganz großes Kino.

Zur Netzneutralität

Was soll Netzneutralität jetzt bedeuten? Im Grunde ist es simpel. Das Internet ist frei und offen für alle. Es ist ein Netzwerk aus Computern und Rechenzentren, auf die jeder zugreifen kann. Die Provider sind verpflichtet, jeden Traffic eines anderen Providers durchzulassen. Sonst könnten wir ja keine Website aufrufen, welche sich nicht im Netz des Anbieters befindet. Das Internet würde ohne diese Neutralität nicht funktionieren, es wäre nicht existent.

Aber genau das greift die Telekom an. Etliche Inhalte werden schließlich nur noch gegen Extrazahlungen effektiv nutzbar sein, und diese gehen nur an die Telekom. Entweder erwirbt der User mehr Traffic, oder der Anbieter zahlt an die Telekom für das Privileg, einen Teil ihres Netzes nutzen zu können. Ich weiß nicht, wie bodenlos diese Unverschämtheit ist.

Jetzt hat sich die Bundesnetzagentur eingeschaltet und sich mit ein paar Fragen an die Telekom gewandt. Wäre das nicht eher ein Fall für das Bundeskartellamt? Immerhin werden hier gezielt konkurrierende Dienste benachteiligt.

Der clevere Herr Obermann

Was wird nun passieren? Etliche Konkurrenten der Telekom haben sich bereits gegen Drosselungen ausgesprochen. Kabel Deutschland zum Beispiel verspricht, dass nicht gedrosselt wird und die Bandbreite in ihrem Gebiet überall auf 400MBit ausgebaut werden soll. Na bitte, es geht doch.

Das Versprechen, nur Neukunden drosseln zu wollen war hohl wie verlogen. Die Telekom wird alle Anschlüsse auf IP-Anschlüsse umstellen und das herkömmliche Netz abschalten. Jeder Kunde der Telekom wird also dann einen neuen Vertrag bekommen, oder zumindest neuen AGBs zustimmen müssen, in denen dann genau das steht, was auch für Neukunden gilt. Großes Kino, ernsthaft.

Entweder das Internet in der bisherigen Form stirbt, da die Konkurrenten doch nachziehen, oder die Telekom macht fetten Reibach. Ziehen die Konkurrenten nach, sollte man mal darüber nachdenken, wie viele große und vor allem kleine Anbieter bereit sind, nicht nur an die Telekom, sondern noch an etliche weitere Anbieter Gebühren zu bezahlen, damit sie uneingeschränkt ihre Dienste anbieten dürfen und ihre Inhalte nicht gedrosselt werden. Vielleicht kommt Google dann ja auf die Idee, Youtube in Deutschland kostenpflichtig zu machen um sich die Gebühren zurückzuholen? Schöne neue Welt.

Für den Steuerzahler wird das ganz schön teuer

Angenommen es tritt der wahrscheinlichere Fall ein, dass der Telekom die Kunden weglaufen und zu unlimitierten Providern wechseln. Dann wird das Gejammer groß sein. Die Preisstrukturen werden sich noch einmal verschärfen und natürlich wird für den Netzausbau kein Geld mehr da sein. Da muss dann der Chef ran. Sollte das noch Angela Merkel sein, ist sie ja in der Pflicht. Ansonsten kann natürlich  wieder die Arbeitsplatz-Karte ausgespielt werden. Es ist ja zu teuer, also müssen arme Leute auf die Straße gesetzt werden. Dass die anderen Anbieter dadurch wachsen dort Arbeitsplätze entstehen, das wird niemals erwähnt werden. Also schnüren wir ein Rettungspaket und stecken Milliarden an Steuergeldern in die Kassen der Telekom.

Immerhin muss ja jede große Firma, die durch Missmanagement in die Krise fährt vom Staat gerettet werden. Vor allem, wenn es eine Institution wie die Telekom ist.