Flug MH370: Wie ein Flugzeug verschwinden kann

Der Flug MH370 wirft viele Fragen auf. Die NSA überwacht das gesamte Internet in Echtzeit. Satelliten schießen vom Weltraum aus Bilder, auf denen man eine Münze auf der Straße erkennen kann. Verlorene Smartphones kann man bis auf wenige Meter genau orten. Wie ist es in dieser Welt möglich, dass eine Boeing 777 mit einer Länge von 64 und einer Spannweite von 61 Metern, mit 239 Menschen an Bord einfach verschwindet und tagelang verschwunden bleibt?

Wir schreiben den 21. März 2014. Am 8. März 2014 verschwand Flug MH370 von der Bildfläche und ist bis jetzt noch nicht wieder aufgetaucht, obwohl Flugzeuge und Schiffe aus 26 Staaten auf der Suche nach der Boeing 777 sind. Im Internet suchen zusätzlich mehrere Millionen Menschen nach Spuren des Flugzeugs, in dem sich 239 Menschen befanden. Das tun sie, indem sie die auf der Seite des Projekts tomnod bereitgestellten Satellitenbilder von DigitalGlobe auswerten. Bis zum heutigen Tage wurden lediglich Trümmerteile im Indischen Ozean gefunden, die möglicherweise von der vermissten Maschine stammen könnten. Wie kann das sein?

Flug MH370 und die Boeing 777-200ER

Flug MH370 der Malaysian Airlines machte sich am 8. März 2014 mit 239 Menschen an Bord auf den Weg von Kuala Lumpur nach Peking. Bei dem Flugzeug handelt es sich um eine Boeing 777-200ER, ein zweistrahliges Großraum-Langstreckenflugzeug, in dem je nach Ausführung 305 bis 440 Passagiere Platz finden. Das ER in der Typenbezeichnung steht für „Extended Range“, also ein Modell mit besonders großer Reichweite.

Die Tanks einer Boeing 777-200ER fassen bis zu 172.000 Liter Kerosin. Mit dieser Menge könnte das Flugzeug über 20 Stunden lang ohne Zwischenlandung in der Luft sein und über 20.000 km Entfernung zurücklegen. Sie hat eine Spannweite von etwa 61 Metern, ist fast 64 Meter lang, wiegt ohne Gepäck und Passagiere ungefähr 140 Tonnen und fliegt mit einer Geschwindigkeit von über 900 Stundenkilometern.

Kurz vor Erreichen des vietnamesischen Luftraums verschwand Flug MH370 vom Radar und wird seitdem vermisst. Es gibt scheinbar keine Spur von diesem riesigen Flieger. Dabei ist nicht nur das Flugzeug selbst vollgestopft mit Sicherheitstechnik und Systemen zur Positionsübermittlung. Die ganze Welt wird mit technischen Mitteln überwacht. Das geht von Radarsystemen über Handyortung und Satellitenbildern bis hin zur weltweiten Erfassung sämtlicher Bewegungsdaten durch die NSA und andere Geheimdienste. Wie ist es nun also möglich, dass immer noch niemand weiß, was mit Flug MH370 geschehen ist? Angeblich flog die Maschine nach dem Verschwinden vom Radar noch mehrere Stunden lang weiter, ohne dass sie jemand gesehen oder geortet haben will.

Wie kann man ein Flugzeug aufspüren?

Es gibt mehrere Wege, Flugzeuge aufzuspüren. Die Technik arbeitet dabei in beide Richtungen. Manche Systeme dienen der Ortung von außen, andere dagegen senden Signale direkt vom Flugzeug aus. Hier nun ein Überblick über die jeweiligen Technologien und was sie mit dem Verschwinden von Flug MH370 zu tun haben.

Radar

Zuerst fällt einem natürlich das klassische Radar ein, welches die Positionen von Flugzeugen im Umkreis als Punkte auf einem Bildschirm darstellen. Radaranlagen senden elektromagnetische Wellen aus, die von metallenen Objekten wie Flugzeuge reflektiert werden. Aufgrund der empfangenen Reflexion lässt sich die Position des reflektierenden Objekts bestimmen. Man unterscheidet zwischen Primär- und Sekundärradar.

Primärradar ist die Grundform des Radars. Die empfangenen Reflexionen lassen lediglich den Schluss zu, in welcher Entfernung sich das Flugzeug, befindet. Weitere Daten wie die Flughöhe können nicht erfasst werden. Auch die Geschwindigkeit kann aufgrund der Positionsveränderung auf dem Schirm lediglich geschätzt werden.

Daher setzt man in modernen Anlagen mit Flugsicherungsradar auf Sekundärradar. Hier werden zusätzlich zu den Radarstrahlen zusätzliche Anfrageimpulse ausgestrahlt, welche von dem im Flugzeug befindlichen Transponder beantwortet werden und zusätzliche Informationen wie Flughöhe, Geschwindigkeit oder Flugzeugkennung an die Bodenstation übermitteln.

Flugsicherungsradaranlagen sind Rundsicht-Radaranlagen mit einer Reichweite von mehreren hundert Kilometern. Für eine lückenlose Überwachung des Luftraums benötigt man mehrere Anlagen, die von einander ungefähr 300 Kilometer entfernt stehen sollten. Radar basiert auf direktem Sichtkontakt zu dem zu ortenden Objekt. Befinden sich Berge oder große Gebäude zwischen Radarstation und dem Objekt, kann dieses vom Radar nicht erfasst werden.

Kurz vor Erreichen des vietnamesischen Luftraums brach der Kontakt zu Flug MH370 komplett ab. Mit abgeschaltetem Transponder gab es nur noch die Möglichkeit, Signale des Primärradar zu empfangen, die allerdings eben nichts weiter übermitteln, als die Entfernung. Die Verfolgung eines Flugzeugs nur mit Primärradar gestaltet sich recht schwierig, da jedes Objekt, welches Radarstrahlen zurückwirft, für das Gerät gleich aussieht. Verlässt ein Flugzeug also den Bereich einer Radarstation, kann eine andere Radarstation nicht allein aufgrund der Reflexion darauf schließen, dass es sich dabei um das besagte Flugzeug handelt.

Hat die Flugsicherung, die für den thailändischen Luftraum zuständig ist, keine Kenntnis von dem ausgefallenen Transponder, könnte das Radarsignal möglicherweise schlicht ignoriert worden sein. Aber auch die Entfernung zum Festland spielt beim Verschwinden vom Radarschirm eine wichtige Rolle. Die kürzeste Luftverbindung zwischen Malaysia und Vietnam beträgt etwa 400 Kilometer. Selbst wenn an den Verbindungspunkten dieser imaginären Linie Radarstationen gestanden hätten, ist es durchaus möglich, dass Flug MH370 für kurze Zeit von keinem der beiden Stationen erfassbar war. In diesem Moment hatte der Pilot die Chance, seinen Kurs zu ändern, ohne bemerkt zu werden. Laut des derzeitigen Ermittlungsstands hat er dies auch getan.

Der Transponder

Flugzeuge verfügen über einen Transponder, der zusätzliche Flugdaten an die Radarstation übermittelt, wenn er ein entsprechendes Signal empfängt. Dazu gehören Flughöhe, Geschwindigkeit, genaue Position, Flugzeugkennung und noch mehr. Allerdings ist es möglich, den Transponder einfach abzuschalten. Das geschieht per Knopfdruck und ist auch für Laien kein Problem. Da Transponder aber auch einfach ausfallen können, ist in jedem Flugzeug ein zweiter Transponder vorhanden. Dieser ist jedoch abgeschaltet und muss auch bei Abschaltung oder Ausfall des ersten Transponders manuell aktiviert werden. Das scheint bei Flug MH370 nicht passiert zu sein.

ACARS – Aircraft Communications Adressing and Reporting System

Alle Flugzeuge der Malaysian Airlines sind mit ACARS ausgestattet. Das System sendet weitere Informationen an die Bodenstationen der Fluggesellschaften. Darunter sind Daten über die Außentemperatur, das Wetter, Tankinhalt oder den technischen Zustand der Turbinen. Befindet sich ein Flugzeug über Land, werden diese Daten mittels Ultrakurzwellen oder Höchstfrequenzwellen übertragen. Befindet es sich jedoch über dem Ozean, werden die Signale via Satellitenkommunikation (SATCOM) gesendet.

Im Gegensatz zu Transpondern lässt sich ACARS nicht einfach abschalten. Um ACARS zu deaktivieren sind viele unterschiedliche und komplizierte Schritte notwendig, die eigentlich nur von erfahrenen Piloten durchgeführt werden können. Es gibt sogar Experten, die der Meinung sind, dass die vollständige Abschaltung des Systems bei dieser Boeing 777-200ER in der Luft überhaupt nicht möglich sei.

Um Daten per ACARS zu versenden, muss der Pilot nicht aktiv werden. Via SATCOM werden die Flugzeuge immer wieder angepingt, woraufhin sie mit der Übermittlung der Flugdaten antworten. Ungefähr sechs Stunden nach dem letzten Kontakt mit MH370 fand so ein Ping statt. Das ACARS der Maschine antwortete mit einem Ping, übermittelte aber außer diesem Lebenszeichen keine weiteren Informationen. Rückschlüsse auf die Position des Flugzeugs sind ohne diese Daten nicht möglich. Dass das ACARS lediglich einen Ping, jedoch keine weiteren Daten sendete, könnte möglicherweise daran liegen, dass Malaysian Airlines schlicht und ergreifend die Gebühren für die Nutzung der Satelliten nicht bezahlt hat, woraufhin die Daten nicht weitergeleitet wurden.

Nach Erhalt des Pings wurde das Suchgebiet ausgeweitet. Man musste annehmen, dass das Flugzeug während der Zeit zwischen seinem Verschwinden und dem Ping weiterhin in der Luft war. Entsprechend kann es gut sein, dass sich die Boeing an irgendeinem beliebigen Ort befindet, den sie innerhalb dieser Zeitspanne erreichen konnte.

Blackbox und Notsender

Flugdatenschreiber und Stimmenrekorder sind in Verkehrsflugzeugen vorgeschrieben. Die darin gespeicherten Daten haben schon bei extrem vielen Flugzeugunglücken zur Rekonstruktion des Unfallhergangs beigetragen. Die Geräte sind so robust gebaut, dass sie einen Flugzeugabsturz fast immer unbeschadet überstehen. Sollte ein Flugzeug ins Meer stürzen, aktiviert sich automatisch ein Signalfeuer, welches Schallsignale aussendet, um von Rettungskräften geortet werden zu können.

Auch wenn diese Blackbox mit einer Batterie ausgestattet ist, die ihr erlaubt, die Schallsignale 30 Tage lang auszusenden, ist es möglich, das sie nie gefunden wird. Das Problem ist, dass die Reichweite der Schallsignale maximal zwei bis drei Kilometer beträgt. Sollte Flug MH370 in den Ozean gestürzt und untergegangen sein, bevor die Suche begonnen hat, liegen die Trümmer bereits auf dem Meeresgrund. Die durchschnittliche Wassertiefe in der durchsuchten Region liegt bei ungefähr 3,9 km.

Selbst an einer Stelle, die oberhalb des Durchschnitts liegt, wäre die Blackbox ohne ein U-Boot, das einen Kilometer unter der Wasseroberfläche nach Signalen sucht, nicht mehr wiederzubeschaffen. Der ebenfalls vorgeschriebene Notsender ELT (Emergency Locator Transmitter) wäre auch keine Hilfe gewesen. Abgesehen davon, dass seine 24-stündige Batterielaufzeit längst abgelaufen ist, funktioniert er lediglich über Wasser.

Ortung der Handys der Passagiere

Auf der Welt gibt es mehr Mobiltelefone als Menschen. Durch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden wurde bekannt, dass weltweit milliardenfach Verbindungsdaten jeder Art der Kommunikation gesammelt und ausgewertet werden. Neuesten Enthüllungen zufolge speichert die NSA sogar sämtliche Telefongespräche (mindestens) eines ganzen Landes komplett. Da sollte es doch denkbar sein, dass sich zumindest ein Datensatz finden lässt, der einem der 239 Menschen an Bord der Maschine zuzuordnen ist.

Vor dem Start eines Flugzeugs wird immer darauf hingewiesen, dass man jedes elektronische Gerät abschalten muss. Auf Handys und Smartphones wird dabei besonders geachtet. Es liegt in der Natur der Sache, dass ausgeschaltete Geräte keine Signale senden und über das Mobilfunknetz nicht aufspürbar sind. Es gibt allerdings zwei Aspekte an dem Verschwinden von MH370, die in dieser Hinsicht trotzdem sehr ungewöhnlich sind.

Der erste Aspekt ist rein menschlicher Natur. Es gibt von eigentlich jedem Flugzeugabsturz der jüngeren Geschichte protokollierte Anrufe oder Textnachrichten, die von den Mobiltelefonen mehrerer Passagiere gesendet wurden. Spätestens wenn absehbar ist, dass das Flugzeug abstürzen wird, schalten die meisten Menschen ihr Handy noch einmal an, um noch einmal irgendeinen Freund oder Verwandten zu kontaktieren.

Auf den ersten Blick ist es in diesem Fall nur logisch, dass es keine derartigen Aufzeichnungen gibt, denn normale Telekommunikation ist in einem Flugzeug über dem Ozean nicht möglich. Dort funktionieren lediglich Satellitentelefone. Merkwürdig ist dagegen die Tatsache, dass offenbar niemand versucht hat, einen Notruf abzusetzen, als sich die Boeing noch über dem Festland befand. Eigentlich wäre damit zu rechnen gewesen, dass mindestens einer der Passagiere zum Handy griff, als die Maschine plötzlich einen heftigen Kurswechsel vollzog.

Der andere merkwürdige Aspekt an der ganzen Geschichte bietet gutes Material für alle Verschwörungstheoretiker. Mehrere Angehörige der größtenteils chinesischen Fluggäste versuchen immer wieder, die Mobiltelefone ihrer vermissten Bekannten und Verwandten zu erreichen. Anstatt jedoch direkt auf die Mailbox weitergeleitet zu werden, wie es bei deaktivierten Handys üblich ist, ertönt ein Freizeichen. Experten sprechen hierbei von einem „technischen Phänomen“. Denkbar ist natürlich, dass die betreffenden Personen eine Rufumleitung eingerichtet haben, sodass der Anruf zu einem anderen Telefon umgeleitet wird, sollte das Handy nicht erreichbar sein.

Fazit

Die Systeme zur Ortung von Flugzeugen und Passagieren sind zahlreich und hoch entwickelt. Allerdings hat jede Technologie auch ihre Schwächen. Flächendeckende Luftraumüberwachung via Radar ist über dem Ozean nicht möglich.

ACARS ist ein sehr potentes System, welches sich nicht so leicht deaktivieren lässt. Scheinbar ist das in diesem Fall jedoch gelungen, wenn auch nicht zu einhundert Prozent. Der gesendete Ping allein eignet sich nicht für die Positionsbestimmung des Flugzeugs. Dafür wäre es zwingend notwendig, die Flugzeuge von mehreren Satelliten aus anzupingen, um eine Dreiecksortung durchführen zu können, wie sie auch zur Ortung von Mobiltelefonen eingesetzt wird.

Die Technik zur Handyortung ist hier ebenfalls an ihre Grenzen gestoßen. Abgeschaltete Mobiltelefone lassen sich in der Regel nicht orten. Hinzu kommt, dass es auf dem Ozean keine Sendemasten gibt und somit keine Verbindung zum Mobilfunknetz hergestellt werden kann.

Blackbox und Notsender sind in einem Fall wie dem von Flug MH370 ebenso wenig hilfreich, da die Reichweite der automatisch abgesetzten Notsignale zu begrenzt ist. Abschließend lässt sich zudem noch über den Sinn der Tatsache streiten, dass es möglich ist, ein wichtiges Gerät wie den Transponder per Knopfdruck abschalten zu können.

Es bleibt also noch viel zu tun, um ein derartiges Verschwinden von Flugzeugen zu verhindern. Die flächendeckende Überwachung stößt spätestens da an ihre Grenzen, wo es auf dem Planeten an Technik mangelt, wie eben über dem offenen Ozean. Auch wenn man davon ausgehen muss, dass Flug MH370 abgestürzt ist und sich abseits der technischen Diskussion ein menschliches Drama abgespielt hat, kommt man nicht umhin, eine gewisse Ironie in dem Verschwinden zu sehen.

Trotz der weltweiten und flächendeckend scheinenden allgegenwärtigen Überwachung gibt es noch riesige schwarze Flecken auf der digitalen Weltkarte. Es ist immer noch möglich, dass 239 Menschen und ein riesiges Flugzeug einfach so von der Bildfläche verschwinden und möglicherweise nie wieder auftauchen können. Möglicherweise wird bald der Ruf lauter, die weltweite Überwachung auch auf die Ozeane auszudehnen.

Aber hätte eine Katastrophe wie der Absturz von Flug MH370, sofern er sich bewahrheitet, dadurch verhindert werden können? Ganz sicher nicht. Der einzige Vorteil wäre gewesen, dass es Gewissheit darüber geben würde, was mit der Maschine und den Menschen darin geschehen ist. Dieser Fall zeigt erneut, dass Überwachung und noch so hoch entwickelte Sicherheitssysteme nicht in der Lage sind, Katastrophen verlässlich zu verhindern. Ihr einziger realer Mehrwert ist, Geschehnisse zurückverfolgbar zu machen. Eine Tatsache, die keinem Opfer helfen kann.

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